Dinkel oder Weizen bei Hildegard von Bingen? „Ein Märchen der Dinkel-Industrie?“

 In Gesundheitsprogramm, Hildegard von Bingen

Hildegard von Bingen hat keine Dinkel-Rezepte in ihren Werken geschrieben, jedoch wegen der guten Bekömmlichkeit des Dinkels auch während der Fastenkuren entstanden durch Hildegard Freunde viele Rezepte und Speisen.

https://www.lebe-liebe-lache.com/articles/34/3459/aebtissin-hildegard-von-bingen-und-die-heilkraefte-der-kraeuter/

Überall liest man über Hildegard und der Dinkel als Heilmittel. Eine richtige Dinkel-Industrie ist hier entstanden.

Nur in der Physica steht eine Passage über den Dinkel, Spelt (spelta, spelza) sonst schreibt Hildegard dort viel über den Weizen.

„Dinkel ist das beste Getreide und er ist warm, fett, reichhaltig und wohlschmeckender als andere Getreidesorten; er verleiht dem, der ihn isst, rechtes Fleisch und rechtes Blut sowie einen frohen Sinn und Freude im Gemüt des Menschen. Womit immer er gegessen wird, sei es im Brot oder in anderen Speisen, er ist gut und wohlschmeckend.“

„Wenn jemand so schwach ist, dass er vor Schwäche nicht essen kann, dann nimm ganze Dinkelkörner, koch sie in Wasser und füge Schmalz oder Eidotter hinzu, so dass sie wegen des besseren Geschmacks gern gegessen werden können; gib das dem Kranken auf diese Weise zu essen, und es heilt ihn innerlich wie eine gute und gesunde Salbe.“

Ich habe inhaltlich die neuste Übersetzung von Hildegard von Bingen, Causae et Curae, Ursprung und Behandlung der Krankheiten, durchgearbeitet. (herausgegeben von der Abtei St. Hildegard, Rüdesheim/Eibingen, 2011, vollständige neue Übersetzung von Prof. Ortrun Riha)

„Der Dinkel ist in „Causae et Curae als Heilmittel nicht einmal erwähnt“.

Jedoch schreibt die heilige Hildegard fast nur über das Weizenbrot, Weizenmehl, die Kleie, das Semmelmehl und die Weizenküchlein.

„Das Weizenbrot oder Weizenmehl salbt zusammen mit dem erwähnten Wein den Magen“ … „Denn das Semmelmehl lässt durch seine Wärme und Kraft das Fleisch des Menschen wachsen und verschließt den unrechten Weg des Blutes“.

Als „Heilmittel“ wird von Hildegard von Bingen ausschließlich das feine Weizenbrot besonders auch das Weizen-Semmelmehl beschrieben.

Die Zitate aus Causae et Curae habe ich ihnen hier zusammengestellt. Dieses Werk von Hildegard ist für Laien zu schwierig zu Lesen, deshalb wird immer die Sekundärliteratur gelesen, welche jedoch verfälscht ist und meiner Meinung nach speziellen wirtschaftlichen Interessen dient. Es ist eben immer besser sich mit der Quelle zu beschäftigen.

Das große „Getöse“ über den Dinkel und Hildegard von Bingen ist also nur ein schlechter Scherz, um Menschen mit großer Hoffnung anzulocken.

Hier eine Zusammenstellung der Zitate aus „Ursprung und Behandlung der Krankheiten, Causae et Curae“:

Weizenbrot, Weizenmehl

(366, 376, 377, 378, 397, 401, 420, 426, 441)

366: Augen: Wer schwarze oder trübe Augen hat … und mit ihnen irgendwie schlecht sieht … vermische das mit etwas gutem und klaren Wein, tränke damit ein Bröckchen Weizenbrot und binde das nachts mit einem Tuch über die Augen.

376: Leberleiden: Er kann auch jenes Weizenbrot essen, das manche Leute wegen des Genusses zwischen Scheiben von einer gedörrten Schweineschulter legen und mit Wein übergießen. Denn wenn der trockene Saft dieser Schulter von der Wärme des Weins herausgelöst und in das Brot gegossen wird, dann zieht das so gemischte Brot die Leber zusammen, so dass sie nicht anschwillt.

377: Milzstörung: Wenn der Mensch einmal eine rohe Speise isst, steigen die schlechten Säfte dieser Speisen, weil sie durch kein Gewürz abgemildert sind, manchmal zur Milz auf und bereiten ihr Schmerzen. Daher soll dieser Mensch Kerbel nehmen und ein bisschen weniger Dill und mit Weizenbrot in Essig so etwas wie Klößchen bzw. Würzkügelchen machen und das häufig essen: Denn die sanfte Kälte des Kerbels löst und heilt den Schmerz der Milz, und das Weizenbrot lässt die Milz wachsen, der Essig aber reinigt sie durch seine Schärfe.

378: Magenschmerzen: … Wenn man das fünf Tage lang getan hat, nehme man Weizenbrot oder Semmelmehl und bereite mit dem erwähnten, mit glühendem Stahl erhitzten Wein einen kleinen Imbiss, … Das Weizenbrot oder Weizenmehl salbt zusammen mit dem erwähnten Wein den Magen …

397: Auswurfförderung: … Wenn er keinen Honig hat, soll er sie einzeln in einem Klößchen aus Weizenbrot auf einem Löffel einnehmen wegen des guten Geschmacks eines solchen Klößchen. … zunächst eine Brühe oder einen Imbiss, der ebenfalls aus Mehl gemacht ist, essen, damit entweder seine durch die lösende Wirkung in Bewegung versetzten Eingeweide durch die Sanftheit dieser Brühe oder des Imbisses geheilt werden …

401: Abführmittel: Nach dem Abführen soll er Weizenbrot essen, nicht trocken, sondern in die Morgensuppe getunkt …

420: Darmblutungen: Wer an Blutfluss leidet: Er nehme auch Semmelmehl und bereite daraus nur mit Honig und ein bisschen Salz Küchlein und esse sie. Denn das Semmelmehl lässt durch seine Wärme und Kraft das Fleisch des Menschen wachsen und verschließt den unrechten Weg des Blutes. Während er aber an dieser Krankheit leidet, soll er Weizenbrot essen, aber das aus Roggen und Gerste meiden.

426: Hautkrankheiten: … Dann nehme er ein Blatt von der Mariendistel und lege es auf diese Blase, bereit aus reinen Semmelmehl ein Küchlein, lege es auf dieses Blatt und verbinde die ganze Schwellung …

Er soll vielmehr ausschließlich schönes Weizenbrot in Wasser essen und Wasser trinken …

441: Lymphknotenschwellungen: … Am vierten Tag aber nehme er Weizenmehl, knete es mit Honig entsprechend der Größe dieser Skrofeln und …

Semmelmehl

(355, 356, 360, 362, 378, 379, 400, 417, 418, 420, 426, 430)

355: Bewusstseinsstörungen: Nimm Lorbeeren und mach sie zu Pulver, nimm dann gleich viel Semmelmehl und …

356: Migräne: … Dann gebe er Semmelmehl hinzu

360: Bewusstseinsstörung: Auch mit Butter oder Fett … bereitete Mehlgrütze kann er essen, weil sie das entleerte und verkühlte Gehirn füllt und erwärmt.

362: Augen: … vermischt mit dem Tau und der Kraft der Weizensemmel, nimmt diese Schmerzen.

400: Abführmittel: … Dann nehme er von feinstem Semmelmehl so viel …

Ingwer, Zitwer, Zucker und Semmeln halten die guten Säfte im Menschen zurück und Wolfsmilch führt die schlechten Säfte ab.

417: Verdauungsprobleme: Wer an Übelkeit leidet, nehme Kümmel, ein Drittel davon Pfeffer und etwa ein Viertel vom Kümmel an Bibernelle, pulverisiere das, nehme reines Semmelmehl und gebe dieses Pulver in das Mehl.

418: Durchfall: Man nehme auch andere Eidotter, drücke in einer Pfanne am Feuer von ihnen das Fett heraus, bereite dann mit reinem Semmelmehl daraus Küchlein und esse sie nach einer kleinen Mahlzeit …

430: Epilepsie: Wer von der Fallsucht geplagt wird: … Dann nehme man einen Teil der Leber eines beliebigen essbaren Tieres … und bereite daraus mit etwas Semmelmehl Küchlein … . Die Lebern von Tieren und Vögeln werden deshalb mit der Weizensemmel vermischt, weil Lebern trocken sind und ihre Kraft von der Erde haben und auch Schleime an sich ziehen, so dass sie zusammen mit der Wärme und Kraft des Weizenmehls die verdorbenen Säfte dieser Krankheit herausziehen … Wer an der erwähnten Krankheit leidet, soll fünf Tage lang die besagten Küchlein essen. … Zwischendurch soll er aber auch Brot und Fleisch essen.

Brot als Lebensmittel

(179, 248, 267, 342, 401, 418, 420, 430)

179: Kopfschmerzen: Eine Speise nun, die reichen Saft in sich hat, wie der Saft von Gartenkräutern und wie der Saft von Obst, bringt, wenn sie öfter ohne die trockene Speise Brot gegessen wird, dem Menschen manchmal Kopfschmerz …

248: Gicht: Ein Mensch, der infolge der Gicht von einer Lähmung gequält wird … Wenn er keinen Wein bekommen kann, soll er aus Gerste oder Roggen gebrautes Bier nüchtern trinken. Und wenn er nichts davon erhalten kann, möge er Wasser mit Brot kochen und durch ein Tuch seihen …

267: Schröpfen: Damit aber der Mensch nicht am Herzen geschwächt wird, soll er etwas Brot und Wein einnehmen, bevor er geschröpft wird.

342: Maßlosigkeit: … denn diese Krankheit kommt von Fleisch, veränderter Milch und starkem Wein, nicht aber von Brot, Gemüse und Bier.

401: Abführmittel: Nach dem Abführen soll er Weizenbrot essen, nicht trocken, sondern in die Morgensuppe getunkt, ferner Küken von Hühnern und Schweinfleisch und anderes leichtes Fleisch. Aber grobes Brot und Rindfleisch und … soll er meiden.

 Brot bei der Arzneimittelzufuhr

(253, 359, 366, 374, 375, 376, 386, 393, 399, 417)

253: Gesunde Ernährung: Edler und starker Wein erregt: Deshalb sollen die Kräfte eines edlen Weins durch eingetauchtes Brot oder dazu gegossenes Wasser verringert werden.

359: Maßlosigkeit: Nimm Galgant und Fenchel zu gleichen Gewichtsanteilen und … Iss von diesem Pulver täglich nüchtern soviel, wie zwei Münzen wiegen, mit einem kleinen Bissen Brot und trink sofort darauf ein bisschen warmen Wein.

366: Augen: Wer schwarze oder trübe Augen hat … und mit ihnen irgendwie schlecht sieht … vermische das mit etwas gutem und klaren Wein, tränke damit ein Bröckchen Weizenbrot und binde das nachts mit einem Tuch über die Augen.

374: Herzbeschwerden: Also nimm weißen Pfeffer und … Kümmel und … Bockshornklee … iss dieses Pulver in geringen Mengen mit etwas Brot

375: Mundgeruch: … iss von jenen Pulver täglich nüchtern so viel, wie zwei Münzen wiegen, mit einen kleinen Stückchen Brot und trink sofort darauf ein bisschen warmen Wein.

386: Zeugungsunfähigkeit: … Dann verwerfe er diese Kräuter und esse dieses Fleischgericht und tunke auch Brot in das Wasser

393: Vorsicht bei der Medikamenteneinnahme: Wenn Medikamente von jemanden eingenommen werden, soll das zurückhaltend und aus nachvollziehbarer Notwendigkeit geschehen, und sie sollen mit Brot oder in Wein … eingenommen werden.

399: Nasenbluten: Und danach soll er diesen so über dem erwähnten erhitzten Fenchel und Dill mit Brot essen.

Quelle

  1. Hildegard von Bingen, Causae et Curae, Ursprung und Behandlung der Krankheiten, durchgearbeitet. (herausgegeben von der Abtei St. Hildegard, Rüdesheim/Eibingen, 2011, vollständige neue Übersetzung von Prof. Ortrun Riha)

Autorin: Diplom Biologin Lydia Keller, Konstanz, 2018

Foto aus der Ausstellung Museum am Strom: Miniatur zur vierten Schau: Der Lebenskreis

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