Hildegard von Bingen – Ihr Leben

 In Hildegard von Bingen

Im Jahre 1098 wurde Hildegard von Bingen im rheinhessischen Bermersheim in der Nähe von Alzay als zehntes Kind adliger und wohlhabender Eltern geboren. Die Eltern hießen Heribert und Mechthild vom Bermersheim im Rheinland.

Mit acht Jahren im Jahre 1106 kam Hildegard in die klösterliche Erziehung in die Frauenklause, die dem Benediktinerkloster auf dem Disibodenberg bei Bad Kreuznach angeschlossen war.

Seit ihrer Kindheit war sie eher schwächlich und häufig krank, aber doch begabt. Im Alter von 20 Jahren erhielt Jutta von Sponheim die junge Hildegard mit noch zwei weiteren Gefährtinnen zur Erziehung anvertraut.

Jutta von Sponheim war eine kluge, gebildete Frau und mütterliche Freundin von Hildegard und war Äbtissin in der Frauenklause des Klosters Disibodenberg.

Dort erhielt Hildegard ihre umfassende und vielseitige geistige Bildung. Sie wurde in Schreiben und Lesen, im Singen der Psalmen und in praktischen Arbeiten unterrichtet.

Benediktinerklöster der damaligen Zeit waren Hochburgen der Kunst und Wissenschaft, und so, wie Hildegard später den Mönch Volmar als gelehrten Berater zur Seite hatte, wurde sie auch von frühauf durch die Disibodenberger Mönche in das vielschichtige Geistesgut benediktinischer Tradition eingeführt.

„Im übrigen empfing Hildegard außer der einfachen Kenntnis der Psalmen keinerlei Unterweisung durch Menschen, weder in der Schriftkunst noch in der Musik, obwohl von ihr doch zahlreiche Schriften vorhanden sind, darunter einige nicht gerade schmale Bände“.

Der Disibodenberg am Zusammenfluss von Nahe und Glan war spätestens seit dem 7. Jh. ein Mittelpunkt christlichen Lebens, vermutlich aber schon ein Heiligtum in vorchristlicher Zeit. Die auf dem Berg errichtete Taufkirche wurde zum Ausgangspunkt der Missionierung des Naheraums.

Im Jahre 1112 legte Hildegard ihr Ordensgelübde ab.

„Die Jungfrau Christi, die bereits so weit gekommen war, das Gelübde zu monastischem Leben abzulegen und den Segen des heiligen Schleiers zu empfangen, wuchs und stieg von Tugend zu Tugend, begleitet vom Bemühen der oben erwähnten ehrwürdigen Mutter und deren Freude über ihre Fortschritte. Diese bemerkte schon bald mit Bewunderung, dass Hildegard von einer Schülerin zur Lehrerin und zur Wegbereiterin außenordentlicher Pfade wurde.“

Jutta von Sponheim verstarb im Jahre 1136 und Hildegard wurde mit 38 Jahren als ihre Nachfolgerin zur Äbtissin gewählt, obwohl sie oft krank war. Aber ihr Wesen, dass als demütig und bescheiden beschrieben wurde, musste eine immense Ausstrahlung besessen haben.

Ihr geistiges Fundament war die Benediktusregel:

73 Kapitel enthalten allgemeine Grundsätze geistlicher Lehre und konkrete Anweisungen zur Gestaltung eines Gemeinschaftslebens im Geiste des Evangeliums.

Diese enthalten eine große Offenheit und eine weise Maßhaltung. Die gemeinsame Suche nach Gott ist das Leitmotiv. Es bedarf einer rechten Ordnung, der gemeinsamen Zeiten des Betens und Arbeitens, des Essens und Schlafens.

Es wird die Gleichheit aller vor Gott und die Gemeinsamkeit des Besitzes betont, aber es soll auch zugleich auf die Verschiedenheiten der Einzelnen, ihre Bedürfnisse und Schwächen, Rücksicht genommen werden.

Die geistliche Grundlage des heiligen Benedikts lautet:

1. Den Gehorsam als Suche nach dem Willen Gottes im Hier und Jetzt.

2. Die Demut als Weg zur inneren Wahrheit und vollkommenen Liebe in der
Nachahmung des gekreuzigten Christus.

3. Die Beständigkeit, durch die der Mönch beharrlich auf diesem Weg und
seiner Gemeinschaft bleibt.

Nach fünf Jahren (1141) als Äbtissin, erhielt Hildegard den Auftrag von Gott, ihre Visionen niederzuschreiben. Wieder erkrankte Hildegard und als sie sich entschloss den Auftrag Gottes zu folgen, gesundete sie sofort.

„Diese Art Schau stellt sie in einer Reihe mit den alttestamentlichen Propheten, und wie sie erhielt Hildegard den Auftrag: Schreibe, was du siehst und hörst.“

So begann Sie mit der Niederschrift ihres ersten theologisch-visionären Werkes „Scivias“ – Wisse die Wege -, das sie im Jahre 1151 beendete.

Richardis von Stade trat während der Niederschrift des Werkes „Scivias“ auch ins Kloster Disibodenberg ein. Hildegard von Bingen und Richardis verband eine lebenslange innige Beziehung, ihre Familie war Hildegard durch ihren weltlichen Einfluss sehr hilfreich. Richardis war ihre Vertraute und Freundin.

Sie wurde im Jahre 1125 geboren und war die Tochter der gleichnamigen Markgräfin, die Hildegard bei der späteren Klostergründung auf dem Rupertsberg geholfen hatte. Neben dem Mönch Volmar war sie die engste Vertraute von Hildegard und unterstützte sie bei der Abfassung ihres Werkes Scivias.

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Währenddessen befielen Hildegard immer wieder Zweifel und sie wandte sich ratsuchend an dem Abt Bernhard von Clairvaux (1090 – 1153), der sich zu Beginn zurückhaltend verhielt.

„Obwohl er wusste, das bei Gott nichts unmöglich ist, zog er die Klügeren aus dem Kloster hinzu und entschied, man solle untersuchen, was sie hörte. Und nach der Durchsicht einiger ihrer Schriften und Visionen ermunterte er sie, kundzutun, was Gott ihr eingebe.“

Es wurde erkannt, dass ihre Schriften zur öffentlichen Kenntnis kommen mussten. Diese Schriften wurden dann der Mutterkirche in Mainz vorgelegt. Der Papst ließ diese Angelegenheit untersuchen.

„Nachdem Hildegard ihnen auf ihre demütigen Fragen hin einfach kundgetan hatte, was es mit ihr auf sich hatte, kehrten sie zum Papst zurück und berichteten ihm, der sie wie alle Anwesenden mit großer Spannung erwartete, was sie gehört hatten. Nach diesem Bericht ließ der Papst die Schriften der heiligen Hildegard vorstellen, die er als Gabe aus dem genannten Kloster empfangen hatte.“

Auf der Synode in Trier im Jahre 1147, setzte sich dann der einflussreiche Zisterzienser Abt Bernhard von Clairvaux für Hildegards Visionsschriften in Anwesenheit von Papst Eugen III ein.

In einem Brief (1146/1147) bat Hildegard um dessen geistlichen Rat und Beistand. Nach Überprüfung der Texte, las der Papst diese vor den versammelten Kardinälen vor und bestätigte damit Hildegard als „Seherin“, der dann später der Titel „Prophetissa Teutonica“ zuerkannt werden sollte und ermutigte sie zu weiteren Werken.

Der Papst wandte sich mit einem Grußschreiben an die selige Jungfrau, „indem er ihr im Namen Christi und des seligen Petrus die Erlaubnis erteilte, alles zu veröffentlichen, was sie vom Heiligen Geist erfahren habe, und sie zum Schreiben ermunterte. Er ehrte aber auch die Stätte, an der sie aufgewachsen und gefördert worden war, mit einem Gratulationsschreiben, das in seinem Namen an den Abt und die Brüder des Klosters gerichtet wurde.“

Es kam zu einem regen Zulauf zum Kloster Disibodenberg und großzügige Spenden gingen ein.

Die Klostergemeinschaft der Nonnen auf dem Disibodenberg wuchs ständig an und so bat Hildegard den Abt vom Disibodenberg um Erlaubnis ein eigenes unabhängiges Frauenkloster zu gründen.

Dies lehnte der Abt ab. Daraufhin erkrankte Hildegard wieder schwer, bis er ihr die Erlaubnis dazu erteilte, wegzuziehen und ein Kloster zu gründen.

Jedoch erhielt Hildegard nicht die Schenkungen zurück, die mit ihren Eintritt an das Kloster übergingen. Sie zog dann mit 18 Schwestern in den dreißig Kilometer entfernten Rupertsberg.

Zwischen den Jahren 1147 und 1151 fand die Übersiedlung zum Rupertsberg (linksseitig der Nahe bei ihrer Mündung in den Rhein).

„Hildegard wurde vom Heiligen Geist jene Stätte gezeigt, wo die Nahe in den Rhein mündet, nämlich der Hügel, der früher vom heiligen Bekenner Rupertus seinen Namen erhielt“.

Das neue Kloster wurde über dessen Grab gebaut.

Bald gelangte das Kloster zu großer Blüte, so wurde der Rupersberg zum Zentrum der Kranken und der Hilfe- und Ratsuchenden des ganzen damaligen Rheingaus.

Im Jahre 1151 bat Richardis von Stade, das Kloster verlassen zu dürfen. Ihr Bruder Hartwig, Erzbischof von Bremen, hatte seiner Schwester das Amt der Äbtissin im norddeutschen Bassum vermitteln können.

Dadurch war Hildegard tief enttäuscht und verletzt. Sie wollte Richardis nicht gehen lassen, jedoch auf Befehl des Mainzer Erzbischofs tat sie es doch.

An den Erzbischof Hartwig schrieb Hildegard:

„Jetzt höre mich, da ich unter Tränen und Drangsal zu deinen Füßen hingestreckt liege. (…) Schicke meine geliebte Tochter wieder zu mir zurück.“

Erneut blieb ihre Bitte unerhört. Hildegard richtete sich an dem Papst, auch er gab eine Absage.

Ihr letzter Brief an Richardis war:

„Schmerz steigt in mir auf. Der Schmerz tötet das große Zutrauen und den Trost, den ich an einem Menschen besaß. (…) der Mensch soll sich nicht nach einer hochgestellten Persönlichkeit richten, der wie eine Blume vergeht. Das habe ich aus Liebe zu einem edlen Menschen außer Acht gelassen. (…) Nun sollen alle mit mir klagen, die Schmerz erleiden, der meinem Schmerz gleicht, die aus Gottesliebe solche Liebe im Herzen und in ihrem Gemüt zu einem Menschen trugen, wie ich sie dir gegenüber hegte. Er wurde ihnen in einem Augenblick entrissen, wie auch du mir abwendig gemacht wurdest. (…) Gedenke deiner unglücklichen Mutter Hildegard, damit dein Glück nicht versiege“.

Noch im selben Jahr erhielt sie eine Nachricht vom Erzbischof Hartwig:

„Ich melde dir, dass unsere Schwester, die meine, allerdings auch die deine (…) den Weg allen Fleisches angetreten hat (…). Als sie alles in christlicher Gesinnung empfangen hatte (die letzte Ölung), verlangte sie aus ganzem Herzen unter Tränen nach deinem Kloster zurück“.

Hildegard schrieb zurück:

„Höre Gott nahm sie so eifersüchtig in Besitz, dass die Lust der Welt sie nicht umgarnen konnte. (…) Die alte Schlange aber wollte sie trotzdem durch ihre hohe Abkunft abspenstig machen. Doch der höchste Richter zog diese meine Tochter an sich und entzog ihr allen menschlichen Ruhm.“

Diese Briefe zeigten Hildegards große Verletzung.

Zwischen den Jahren 1151 – 1158 schrieb Hildegard die beiden großartigen naturkundlichen Werke: „Physica“ – Heilkraft der Natur und „Causae et Curae“ – Ursachen und Behandlung von Krankheiten“.

Diese Werke sind die bekanntesten und beliebtesten von Hildegard von Bingen. In denen wir alles über die Lebensmittel, Ernährung und Wirkkräfte erfahren.

Während des Zeitraumes 1163 entstand das Werk: „Liber Vitae Meritorum“ – das Buch der Lebensverdienste – auch genannt „Der Mensch in der Verantwortung“.

Weiterhin unternahm Hildegard zahlreiche Predigtreisen trotz ihrer Gebrechlichkeit und ihres hohen Alters ins Frankenland, nach Lothringen und ins Rheinland, reiste per Schiff und Pferd.

Damals war dies für Frauen sehr ungewöhnlich öffentliche Reden zu halten. Sie predigte auf öffentlichen Plätzen: die Liebe zu Gott nicht zu verlieren.

Von ihrem regen Briefwechsel mit Adel, Klerus und einfachen Bauern sind ca. 300 Briefe erhalten. Die Antworten auf die Anliegen der Fragenden sind stets in Visionsberichte gekleidet. Im Mittelalter war es üblich Briefe öffentlich vorzulesen. Deshalb waren diese ein wichtiges Medium.

Den bekanntesten Briefwechsel führte Hildegard mit Kaiser Friedrich Barbarossa.

Hildegard schrieb:

„Auch du bist ein Diener Gottes, der du eingesetzt bist, Gottes Herde zu Leiten und zu schützen. So höre: Gott gab dem Menschen das Gesetz. Deshalb ahme auch du den höchsten Richter und Lenker in seiner Barmherzigkeit nach. Er allein ist der Weg der Wahrheit. Alle Gewalt und Herrschaft geht allein von ihm aus; alles empfängt von ihm seinen Namen. Dem gemäß sollen die Herrscher der Erde ihre Völker regieren … Möge der Heilige Geist dich also belehren, dass du gemäß seiner Gerechtigkeit lebst und wirkst.“

Hildegards seelsorgerische Arbeit erstreckte sich auch auf Klerus und Adel. Denn sie liebten doch sehr auch das Weltliche.

So schrieb sie unter anderen mahnend an den Klerus von Köln:

„Ihr schaut nicht auf Gott und verlangt auch nicht danach, ihn zu schauen. Ihr blickt vielmehr auf euch selbst und auf eure Werke und urteilt nach eurem eigenen Gefallen … Ihr müsstet die starken Eckpfeiler sein, die die Kirche stützen, aber ihr seid kein Halt mehr für sie. Deshalb kehrt um und müht euch nach Kräften, diesem Wandel zu entfliehen.“

Hildegard predigte in Köln, ermahnte zur Wahrheit, Barmherzigkeit und Maßhalten:

„Ihr liegt am Boden und seid kein Halt für die Kirche, sondern ihr flieht in die Höhle der eurer Lust. Und wegen eures ekelhaften Reichtums und Geizes sowie anderer Eitelkeiten unterweist ihr eure Untergebenen nicht. Ihr solltet eine Feuersäule sein, den Menschen vorausziehen und sie aufrufen gute Werke zu tun.“

Sie komponierte 77 Lieder und ein Singspiel. Lieder, die als „Symphonia harmonie celestium revelationum“ bezeichnet wurden, die die himmlische Harmonie erkennen und erklingen lassen. Auch die Musik war für Hildegard göttlichen Ursprungs. Das Singspiel Ordo virtutum nimmt hier eine besondere Stellung ein. Es ist die Form eines gesungenen liturgischen Dramas: Ähnlich wie im Liber Vitae Meritorum stellen sich die Tugendkräfte im Kampf um die Seelen der Menschen dem Teufel und seinem Machenschaften entgegen.

Aufgrund der steigenden Berühmtheit von Hildegard von Bingen, wurde das Kloster auf dem Rupertsberg auch schon wieder 15 Jahre nach seiner Gründung zu klein.

Im Jahre 1164 kaufte Hildegard in Eibingen-Rüdesheim ein verlassenes ehemaliges Augustinerkloster hinzu. In Rupertsberg wurden nur adelige Frauen aufgenommen, in Eibingen wurden nun nichtadelige Frauen aufgenommen.

Im Jahre 1165 fand dann die Einweihung des Klosters in Eibingen statt und Hildegard musste nun regelmäßig zweimal pro Woche über den Rhein fahren, um die 30 Schwestern zu besuchen.

In den Jahren 1163 bis 1173 entstand Hildegards letztes großes Werk: „Liber Divinorum Operum“ – das Buch vom Wirken Gottes, das auch bekannt ist unter „Welt und Mensch“.

Ein großartiges Werk, die Natur im Licht des Glaubens und des gesamten Kosmos. Die Welt erstrahlt als Kunstwerk Gottes, indem der Mensch als Mikrokosmos erscheint, der die Gesetzmäßigkeiten des gesamten Makrokosmos widerspiegelt.

Volmar, Hildegards langjähriger Sekretär, Beichtvater und enger Freund stirbt im Jahre 1173.

Hildegard: „Da durchbohrte Trauigkeit mir Seele und Leib, weil ich, dieses Mannes beraubt, eine Waise war auf dieser Welt“.

Im Jahre 1177 war Hildegard nun 79 Jahre alt. In den letzten beiden Jahren stand Wibert von Gembloux ihr zur Seite. Schon im Jahre 1175 hatte er brieflich Kontakt mit Hildegard aufgenommen und einige ihrer Schriften zugesandt bekommen.

„Und nun weile ich bei ihr in der schönen Atmosphäre des Friedens und aller Freude und Wonne. Durch ihre Ratschläge werde ich geleitet, durch ihre Gebete gestärkt, ihre Verdienste gestützt, ihr Wohlwollen getragen und täglich erquickt durch ihre Gespräche“.

„Sie gibt die erbetenen Ratschläge, löst schwierige Fragen, die ihr gestellt werden, schreibt Bücher, unterweist ihre Schwestern, richtet Sünder auf, die zu ihr kommen, und ist dadurch voll und ganz in Anspruch genommen“.

Die 80-jährige Hildegard hatte ein Jahr vor ihren Tod noch einen letzten Kampf gegen die Mainzer Prälaten zu führen. Das Kloster war mit dem Interdikt belegt worden.

Es war bis zur Aufhebung untersagt, Sakramente zu sprechen und gottesdienstliche Handlungen zu vollziehen.

Warum kam es zu diesem Interdikt?

Hildegard ließ im Jahre 1178 einen adligen exkommunizierten Ritter auf dem Klosterfriedhof beisetzen. Dieser war jedoch durch die Beichte befreit und hatte die letzte Ölung sowie die Kommunion empfangen. Deshalb war für sie die Bestattung damit rechtens. Jedoch die Mainzer Prälaten sahen dies anders und forderten Hildegard auf, den Leichnam vom Friedhof zu entfernen.

HIldegard weigerte sich, machte das Grab unkenntlich und so wurde das Kloster mit dem Interdikt belegt.

Mit einem Brief bekräftigte Hildegard ihr rechtmäßiges Handeln und verwies darauf, dass das Ausbleiben des gesungenen Gotteslobs und das Verbot der Sakramente nicht förderllich für ihre Gemeinschaft sei. Selbst reiste sie nach Mainz und wurde abgewiesen.

Dann wandte Hildegard sich mit einem Brief an den Mainzer Erzbischof Christian von Buch, der für längere Zeit im Auftrag des Kaisers in Italien weilte. Aber sie erhielt Hilfe von einer anderen Stelle.

„Da aber viele Menschen von Mitleid mit uns ergriffen waren, uns jedoch beim besten Willen nicht helfen konnten, ging dein treuer Freund, nämlich der Kölner Erzbischof, nach Mainz zu ihnen. Und ein von einem Ritter begleiteter Soldat wollte hinreichende Zeugen beweisen, dass er selbst und der erwähnte Verstorbene zu dessen Lebzeiten, da sie zusammen dieselben Verfehlungen begangen hatten, auch zusammen am gleichen Ort, zur selben Stunde und von demselben Priester vom Bann gelöst worden wären. Der Priester, die sie losgesprochen hatte, war ebenfalls zugegen“.

Nichtsdestotrotz ging dies noch hin und her. Und letztendlich konnte Hildegard diese Auseinandersetzung für sich entscheiden.

In ihrem Brief an die Mainzer Prälaten schrieb Hildegard:

„Bevor ihr den Mund einer Gemeinschaft verschließt (…) müsst ihr darauf bedacht sein, euch dabei vom Eifer der Gerechtigkeit Gottes und nicht von Unwillen, unrechter Gemütsregung oder Rachegelüsten leiten zu lassen.“

Am 17. September 1179 starb Hildegard von Bingen im Alter von 81 Jahren.

In ihrer letzten Vision wurde der Prophetin ihr Todestag offenbart:

„Gott erhörte ihren Wunsch, und wie sie es selbst zuvor begehrt hatte, offenbarte er ihr im prophetischen Geist ihr Ende, das sie auch ihren Schwestern ankündigte. Nachdem sie sich eine Zeitlang mit ihrer Krankheit abgemüht hatte, wanderte sie also im 82. Jahre ihres Lebens am 17. September in glücklichem Heimgang zu ihrem himmlischen Bräutigam“.

Über Hildegards Wohnhaus erschienen zwei hell leuchtende, verschiedenfarbige Bögen am Firnament, die sich bis zur Größe einer breiten Straße ausdehnten und zu den vier Weltenden erstreckten, so dass der eine vom Norden zum Süden, der andere vom Osten zum Westen reichte.

„Aber am Scheitelpunkt, wo die beiden Bögen sich kreuzten, tauchte ein helles Licht in der Größe der Mondscheibe auf, das sich weit ausdehnte und die nächtliche Finsternis vom Wohnhaus zu vertreiben schien“.

„In diesem Licht erschien ein rötlich schimmerndes Kreuz, zuerst klein, später aber ins Unermessliche wachsend, um das herum unzählige verschiedenfarbige Kreise entstanden und in diesen jeweils einzelne rötlich leuchtende kleine Kreuze.“ Sie neigten sich zur Erde bis hin zum Haus der Heiligen Jungfrau Hildegard.

„Die Menschen glaubten, dass Gott mit diesen Zeichen kundtat, mit welcher Klarheit er seine Geliebte im Himmel erleuchtete. Von Hildegards Grab aus strömte ein lieblicher Wohlgeruch in die Nasen und Herzen mancher Menschen“.

Die Nonnen vom Kloster Rupertsberg leiteten im Jahre 1227 das Kanonisationsverfahren mit einer Bittschrift an Papst Gregor IX ein.

Drei Mainzer Kleriker wurden mit der Untersuchung von Leben, Ruf, Verdiensten und Wunder der verstorbenen Hildegard von Bingen betraut.

Dies dauerte 5 Jahre bis die Zeugenaufnahmen aufgenommen waren und Hildegards Werk geprüft wurde. Im Dezember 1233 ging der Bericht sowie die Schriften nach Rom, jedoch waren die Ausführungen zu ungenau, so dass der Papst den Antrag ablehnte.

Im Jahre 1237 wurde eine neue Kommission eingesetzt, die ihre Arbeit nicht aufnahm und so beauftragte Papst Innozenz IV eine dritte Kommission, die die Ausführungen über wundersame Heilungen ergänzte. Aber dieses Protokoll kam nicht nach Rom an und das Verfahren hing weiterhin in der Schwebe.

Im Jahre 1489 versuchte Erzbischof von Mainz, Berthold von Henneberg die Heiligsprechung wieder in Gang zu setzen und ließ Hildegards Grab öffnen mit der Hoffnung eine Heiligsprechungsurkunde zu finden. Jedoch fand sich nichts.

Noch einmal wurde im Jahre 1498 das Grab Hildegards dann von Trithemius, Abt von Sponheim geöffnet.

Dann im 15. Jh. wurde Hildegard von Bingen in das Martyrologium Romanum, das offizielle Verzeichnis der Seligen und Heiligen der römisch-katholischen Kirche aufgenommen. Dort steht unter dem 17. September: „bei Bingen in der Diözese Mainz das Gedenken der heiligen Jungfrau Hildegard“

Hildegard gründete in Eibingen bei Rüdesheim ihr zweites Kloster.

Heute leben in der um 1900 neu erbauten Abtei St. Hildegard 51 Benediktinnerinnen. So ist die Abtei St. Hildegard das Nachfolgekloster der durch Hildegard von Bingen in den Jahren 1148 bis 1165 gegründeten Klöster Rupertsberg und Eibingen.

Sehenswert in der neuromanischen Klosteranlage ist die in den Jahren 1907 bis 1913 ausgemalte farbenprächtige Klosterkirche.

Nahe des ehemaligen Klosters auf dem Rupertsberg steht heute die kath. Pfarrkirche von Bingerbrück, Hildegard-Gedächniskirche. Diese Ende des 19. Jh. gebaute Kirche ist der heiligen Hildegard und dem heiligen Rupertus geweiht.

Auf dem Fundament des ehemaligen im Jahre 1165 von Hildegard gegründeten Klosters, befindet sich heute die Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Hildegard. Diese wurde nach einem Brand 1932 bis ins Jahr 1935 unter Berücksichtigung früherer Stilelemente wiederaufgebaut. In der Wallfahrtskirche wird der Hildegardis-Schrein mit den Gebeinen der Heiligen Hildegard aufbewahrt.

Im Jahre 1987 beantragte die Deutsche Bischofskonferenz in Rom wieder die Heiligsprechung und bittete um Erhebung zur Kirchenlehrerin. Am 10. Mai 2012 fand dann die offizielle Heiligsprechung von Hildegard von Bingen durch Papst Benedikt XVI statt und am 7. Oktober 2012 wurde die heilige Hildegard zur Kirchenlehrerin erhoben.

Literatur:
1) Wisse die Wege, Liber Scivias, Mechthild Heieck, Beuroner Kunstverlag, 2012
2) Das Leben der Heiligen Hildegard von Bingen, Dr. Monika Klaes-Hachmöller,
Beuroner Kunstverlag, 2013

3) Briefe, Sr. Walburga Storch, Beuroner Kunstverlag

4) Das Buch vom Wirken Gottes, Mechthild Heieck, Beuroner Kunstverlag, 2012

Autorin: Diplom Biologin Lydia Keller, Konstanz, 2014

Foto in der Klosterkirche Ebingen

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